Factsheet
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Was ist dein beruflicher Hintergrund und was ist dir an deinem Beruf besonders wichtig?
Ich habe bereits mein ganzes Leben um das Gesundheitssystem herum gearbeitet. Früher wollte ich mal Dozent werden oder in der IT einer Bundesbehörde/für den Staat tätig sein, da ich Technik gut verstehe und damit andere entlasten kann, die eher frustriert von der Technik sind. Ich habe an der Leibniz Universität ausgeholfen, war bei einem Softwarehersteller für ambulante und stationäre Pflegedienste im Support. Anschließend war ich bei einem IT-Dienstleister, einem IT-Systemhaus, das u.a. auch einen Pflegedienst und ein familiäres Hotel betreute. Nun bin ich seit acht Jahren in einem Rechenzentrum für Krankenkassen tätig. Ich finde es schön mich einbringen zu können und zumindest in meinem Wirkungsradius dafür zu sorgen, dass Versichertengelder wirtschaftlich eingesetzt werden und der tägliche Betrieb, zumindest technisch, reibungslos funktioniert. Auch liegen mir Datenschutz und Sicherheit sehr am Herzen, weswegen ich die gesamte Software-Architektur im Rechenzentrum massiv umgebaut und gehärtet habe.
Wie hat dein persönlicher Weg – zum Beispiel deine Autismus-Spektrum-Störung – deine Sicht auf die Welt und auf deine Arbeit geprägt?
Ich merke, dass mir viele Details und Abweichungen, z. B. in technischen Mails, auffallen, die anderen entgehen. Außerdem versuche ich logisch, sachlich und lösungsorientiert an Herausforderungen ranzugehen, was zwischenmenschlich natürlich diverse Konflikte verursacht hat. Ich denke ich kann mit Wissenschaft und Technik so gut umgehen, weil sie in der Regel planbar sind bzw. weil man sich stundenlang intensiv mit etwas beschäftigen kann, um zu lernen und zu verstehen, warum etwas funktioniert oder nicht funktionieren konnte.
Warum engagierst du dich sozial?
Meine Oma lehrte mich, dass Geld eher unwichtig ist.
Während die väterliche Linie sehr darauf fixiert war und auch mein Opa Geld eher nutzte, um andere in Abhängigkeit zu bringen habe ich mich stark an meiner Oma orientiert.
Sie vermittelte mir: „Nimm dir, was du zum Leben brauchst und den Rest kannst du teilen. “
Vieles kann man zwar mit Geld oder Status erleichtern, doch nichts, was wirklich im Leben wichtig ist, kann man sich mit Geld kaufen – weder Freundschaft, Liebe, noch Gesundheit.
Geld kommt wieder, Gesundheit nicht.
Da mein Leben oft von Traurigkeit geprägt war, möchte ich andere davor bewahren.
Ich setze mich sehr für Gerechtigkeit und auch für sozial Schwächere ein.
Wenn ich sehen würde, wie ein Vorgesetzter oder Kollege einen Azubi oder Praktikanten niedermacht wäre ich der Erste, der dazwischen geht.
Dabei ist es mir egal welche Funktion oder soziale Stellung die Person im Unternehmen hat – junge Talente („Welpenschutz“) sind die Zukunft und sollten gefördert werden.
Welche persönlichen Erfahrungen haben dich motiviert dich für soziale Themen einzusetzen?
Ich denke, ich bin durch meine Mama und Oma mütterlicherseits stark geprägt worden.
Meine Mama, weil sie mich immer unterstützt, und meine Oma, weil sie einfach herzensgut zu anderen Menschen war.
Da ich selbst nicht geschickt genug bin, um Pflege zu leisten und es vermutlich auch nicht von der Belastung her könnte habe ich immer Menschen bewundert, die im Blaulichtbereich tätig sind oder sich sozial engagieren.
Ich habe mich gefragt: „Wie kann ich mich einbringen und einen Beitrag zur Gesellschaft leisten? “
Momentan bringe ich mich mit Max Weithe vom AutismusZentrum Hildesheim bei Infoständen ein, da ich viele Jahre kaum das Haus verlassen habe und massiv unter depressiven Episoden gelitten habe.
Ich hoffe dadurch wieder mehr Lebensfreude zu erfahren und versierter im Umgang mit sozialen Interaktionen zu werden.
Ich habe mich zudem Anfang 2025 darin versucht Songtexte zu schreiben.
Gibt es konkrete Situationen, in denen du gemerkt hast, dass das System für dich oder andere nicht ausreichend flexibel ist?
Ich bin ein großer Fan von Star Trek und insbesondere Episode 2 aus Staffel 2 von Strange New Worlds hat mich sehr bewegt. Ich würde mir wünschen, dass sich die Menschheit irgendwann über Wissenschaft und Forschung definiert und finanzielle Mittel keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Was möchtest du erreichen?
Mir wäre freier Zugang zu Bildung und Wissen wichtig. Ich denke, wenn man jungen Menschen zeigt welche Potenziale und Fähigkeiten in ihnen schlummern und ihnen aufzeigt wie sie sich selbst und idealerweise auch anderen in allen Lebenslagen helfen können, dann hätte man etwas bislang Utopisches erreicht. Durch höhere Bildung hoffe ich, dass Themen wie Religion, Kriege und Wirtschaftskorruption weniger Relevanz bekommen und immer unbedeutender werden.
Welche Veränderungen wünschst du dir im System und warum hältst du diese für wichtig? Gibt es bestimmte Zielgruppen (z.B. neurodivergente Menschen, Menschen mit psychischen Herausforderungen) für die du dich besonders stark machen willst? Wie möchtest du den Wandel aktiv mitgestalten?
Ich konzentriere mich auf den Radius, in dem ich auch etwas bewirken kann. Das sind primär Familie, Freunde und Bekannte. Ich bin jedoch generell hilfsbereit, wenn jemand meine Hilfe möchte. Früher wäre es für mich das Schönste gewesen 24/7 über den Tag verteilt zu arbeiten und auf der Arbeit zu wohnen – daher auch einmal eine Bewerbung als IT-Feldwebel, bei der es lediglich an der psychischen Bereitschaft scheiterte Soldat im Kriegsgebiet zu sein, bevor es in den Fachdienst geht. Für mich ist soziales Engagement auch eine Form von Heilung, da ich meine Grundbedürfnisse lange Zeit vernachlässigt habe und eigentlich nicht gelebt, im klassischen Sinne von erleben (Erlebnissen), habe.
Hast du Ideen oder Vorschläge, wie bestehende Strukturen verändert werden könnten?
Es wäre schön, wenn man vieles vereinheitlichen könnte. Wir haben 16 Bundesländer und jedes erfindet das Rad neu. Im Rettungsdienst hat jeder Landkreis seine eigenen Regeln bezüglich Ausstattung und Aufbau im RTW/KTW. Auch Polizei- und Rettungsdienstuniformen sind sehr unterschiedlich – einige erlauben die freie Wahl zwischen Beinholster und Gurtholster, andere wiederum nicht, teils sogar Einheit spezifisch. Es würde vieles leichter machen, wenn jemand im Rettungsdienst in Bayern auch z. B. in Hamburg eingesetzt werden könnte ohne sich mit dem Aufbau der RTW-Ausstattung und den gültigen Leitlinien vertraut machen zu müssen. Ich bin großer Fan von „Think big, but keep it simple!“, aber auch von Idempotenz – egal wie oft ich etwas mache: das Ergebnis bleibt identisch. Natürlich darf ein Gesetz niemals Diskriminieren. Es wird immer Einzelfälle geben bei denen ein Richter oder eine andere befähigte Person abweichend im Sinne der Gesetzgebung Entscheidungen treffen muss. Das Gesetz sollte daher mehr ein Leuchtfeuer für all das Gute sein und Leitlinien aufzeigen. Dann wäre es auch nicht nötig Gesetze zu ändern, welche in 90-95 Prozent der Fälle gut funktionieren. Hierfür müsste man aber Sachbearbeiter ermutigen auch mal unorthodoxe Wege zu gehen ohne direkt Angst vor Formfehlern oder Sanktionen zu haben. Auch sollte berücksichtigt werden, wann und von wem ein Gesetz auf den Weg gebracht wurde, um zu verstehen, wie diese im eigentlichen Sinne gemeint waren und ggf. den Gesetzestext neueren zeitlichen Gegebenheiten anzupassen.
Welche Schritte stellst du dir vor, um das System flexibler und inklusiver zu gestalten?
Ich denke wir könnten damit anfangen Menschen, die es bereits schwer haben, keine zusätzlichen Steine in den Weg zu legen. Natürlich gibt es immer Menschen, die Systeme zum eigenen Vorteil ausnutzen wollen, aber das sind in der Regel auch gesunde Menschen, die die Kraft dazu haben Systeme zu analysieren und Schwachstellen gezielt auszunutzen. Jemand, der wirklich Hilfe braucht, braucht sie zeitnah – und genau da versagt derzeit das System. Ich habe selbst einen unnötig langen Weg hinter mir und zwischen: „zu lernen, welche Rechte habe ich?“, „Recht zu haben“ und dann auch noch „Recht bekommen“ liegt häufig ein Leidensweg mit vielen Tiefen. Keine Gesetzgebung der Sozialen Gesetzbücher ist so interpretierfreudig, willkürlich und schwammig wie das SGB V und SGB XI/XII. Auch meine Zeit als Arbeitssuchender war alles andere als positiv, was die staatliche Unterstützung anging. Dienst nach Vorschrift, wenig Empathie, überlastete oder genervte Sachbearbeiter – nur durch eigene Kraft, Willensstärke und leider viel Glück schafft man es wieder in Arbeit und ins damit verbundene Gefühl der Unabhängigkeit.
Wie siehst du die medizinische Versorgung in Deutschland?
Ich finde es schlimm wie offensichtlich Arztpraxen eine verbotene Zweiklassenversorgung leben, ohne Konsequenzen. Ich kann mir vorstellen, dass viele auf Privatpatienten angewiesen sind, um Kassenpatienten quer zu finanzieren. Gesetzlich hat sich in den letzten 20-30 Jahren nicht viel verändert – die Leistungssätze müssten angepasst werden, aber das würde die Pflichtbeiträge erhöhen und politisch Wellen schlagen. „Die Vergütung der Leistungserbringer wie Arztpraxen und andere medizinische Dienstleister gegenüber der GKV wird durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) festgelegt. Seit Einführung des GKV-Modernisierungsgesetzes 2004 blieben die Sätze strukturell fast unverändert. Ärzte kritisieren die Vergütungsanpassungen als unzureichend, da sie mit steigenden Kosten und dem wachsenden Behandlungsaufwand nicht Schritt halten. Trotz kleinerer Anpassungen hat sich die Höhe der Kassenleistungssätze seit etwa 20 Jahren nicht grundlegend verändert und viele sehen das als unzureichend an. “
Welche Zitate inspirieren dich?
Primär welche, die mit meinen Werten übereinstimmen. Zum Beispiel:
• „Per aspera ad astra - Durch Mühsal gelangt man zu den Sternen“ Star Trek: Strange New Worlds: Staffel 2, Episode 2 (2023)
• „Es kann keine Gerechtigkeit geben, solange Gesetze absolut sind. Das Leben selbst ist eine Übung in Ausnahmen“ Star Trek: The next Generation: Staffel 1, Episode 7 (1987)
• „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will“ Jean-Jacques Rousseau, Le Contrat Social (1762)